Seite wählen
[sam id="4" codes="true"]
ZDL 2016: Oans werdn

Musikschüler, Tänzer, DJ – alle sind bei „Oans werdn“ eins geworden. Fotos: fal

Zu gut, um nur einmal gezeigt zu werden

Unfassbar großartiges Urban-Dance-Projekt „Oans werdn – Classic meets HipHop“ beim „ZwoaDogLang“-Festival

Von Andreas Falkinger

Oans werdn. Eins werden. Eins mit sich, mit anderen, dem Ganzen, dem Leben an sich, dabei Individuum bleiben und doch aufgefangen sein in der Gemeinschaft. Ein Ideal oder eine Utopie? Knapp 50 junge Leute haben sich für ihren Auftritt beim Festival „ZwoaDogLang – Wahnsinnsklang“ in Trostberg jedenfalls mit „Oans werdn“ ein großes Thema gesetzt. Ein riesiges Thema, an dem man künstlerisch durchaus auch scheitern könnte. Ausdrücklich: könnte. Sie sind es nicht. Was diese jungen Menschen am Freitagabend im voll besetzten Postsaal geleistet haben, war schlicht großartig. Zu gut, um nur einmal aufgeführt zu werden.

[sam id=“8″ codes=“true“] Das ist der Gegenentwurf zur Kleinteiligkeit, zum Kirchturmdenken, zum „Mia san mia und alle anderen san uns wurscht“. Das Miteinander, das zulässt, dass Unterschiede bestehen, verschiedene Ansätze, Geschmäcker und Lebensentwürfe ihre Berechtigung haben – genau das macht Gemeinschaft funktionsfähig, das macht sie stark. Das zu zeigen, das herauszuarbeiten ist im Projekt „Oans werdn – Classic meets HipHop“ gelungen. Und mit einem immensen Arbeitsaufwand muss das verbunden gewesen sein. Dass es danach auf der Bühne so locker, so leicht und folgerichtig ausschaut, zeigt dann letztlich die wahre Klasse der Protagonisten.

„Oans werdn“ erzählt die Geschichte des Lebens, ganz aus der Sicht der jungen Erwachsenen. Emanzipation von der Elterngeneration, Individuation und Selbstbewusstsein, Stress beim Heranwachsen, Mobbing, Partnerschaft, Arbeit, in Würde alt werden. Das ganze Leben, in eineinhalb Stunden künstlerisch, tänzerisch, musikalisch auf die Bühne gebracht. Wenn so eine Mammutaufgabe schiefginge, müsste niemand ehrlich überrascht sein. Aber es ist nichts schiefgegangen. Nicht im Ansatz. Mit Energie, Einsatz und Fleiß auf der einen und mit unbändiger Freude und Leidenschaft auf der anderen Seite sind die jungen Leute an ihr Urban-Dance-Projekt herangegangen und haben daraus innerhalb kürzester Zeit ein Stück mit Bühnenreife gezaubert. Wer das miterlebt hat, dem werden hohle Floskeln über die „heutige Jugend“ nicht mehr leicht über die Lippen kommen.

Es ist völlig egal, welche der beteiligten Gruppen „eigentlich“ am professionellsten agiert hat. Ob das die ehemaligen Europa- und amtierenden Deutschen Meister im HipHop-Tanz, die Riddim Cubes der Tanzschule „Heartbeat by Gabi“ aus Traunreut waren oder die Instrumentalisten der Musikschule Trostberg, die „Heartbeat“-Salsatruppe Besitos, das Breakdance-Duo Sandro & Sebi oder die HipHop-Crew Di Cheti aus Waldkraiburg – völlig egal. Wenn es eine Formation gegeben haben sollte, die potenziell alles andere überragt, dann ist es ihr gelungen, die Kollegen auf ihr Level zu heben. Sie sind „oans“ geworden, alle haben das Motto des Abends konsistent und schlüssig umgesetzt. Und dabei ging ein Strahlen von den Tänzern und Musikern aus, dem sich im Saal keiner entziehen konnte.

Eine runde Sache, nicht zuletzt auch wegen der verbindenden Worte zwischen den Tanzszenen. Riddim-Cubes-DJ Michi erzählte die Geschichte. Klar, kurz, kein Verbiegen, kein Gespreize. „Oans werdn“ – das spiegelte sich auch in den Textbeiträgen wieder. Kein aufgesetztes Hochdeutsch, Dialekt gehört zum Da-Sein, frisch von der Leber weg, so wie wir halt reden und wie wir uns verstehen. Ums Verstehen und ums Verständnis drehte sich alles, und alle wurden verstanden. Das Ensemble hat dem Publikum das sichere Gefühl gegeben, bei etwas Großem dabeigewesen zu sein.

Das Gegensatzpaar aus dem Untertitel „Classic meets HipHop“ ist dabei in den Hintergrund getreten. Nicht weil die Protagonisten das nicht ausreichend herausgearbeitet hätten. Im Gegenteil, das Treffen von Klassik mit Jugendkultur war nicht nur ein Nebeneinanderstellen, es war ein Verschmelzen: Mit dem ersten Takt, dem ersten Tanzschritt, dem ersten Move wurden Grenzen unwichtig. Bach passt zu JayZ, Tschaikowski zu Nuttin‘ but Stringz. Und natürlich passt der stampfende, hoch energetische Tanz der Riddim Cubes zum Chorsatz „O Fortuna“ aus Carl Orffs „Carmina Burana“. Ach was, „passt“: Das geriet zu einem Gänsehautmoment in einer an solchen Momenten beileibe nicht armen Aufführung. Schade nur, dass die unfassbare Energie, die von der Bühne ausging, vom Publikum nur als Applaus gespiegelt werden konnte. „Oans werdn“ ist keine Show, die man im Sitzen genießen sollte. Das schafft eine Distanz zwischen Bühne und Zuschauerraum, die das Eins-Werden nicht leichter macht. Ein bisserl mitbewegen, wippen, was auch immer, das wär’s gewesen. Diese pure Energie darf man nicht im Sitzen verpuffen lassen. Und einmalig sollte so etwas auch nicht bleiben. Dafür ist „Oans werdn“ einfach zu stark.

(17. Juli 2016)

1 Kommentar

  1. Sauber Andreas, treffender kann man diesen Abend nicht beschreiben (und deine Fotos sind auch eine Schau). Es bleibt eine wahnsinnige Freude, dabei gewesen zu sein…

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.