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Ein in seiner Schlichtheit grandioses Stück

Junge Buehne mit „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth: Vom Teufelskreis des Daseins

Von Andreas Falkinger

Die Hoffnung stirbt zuletzt nicht. Oder doch? Das muss der Zuschauer mit sich selbst ausmachen. Die Aufgabe gibt ihm Simon Meyer mit seiner Inszenierung von Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ mit auf den Weg. Der „kleine Totentanz in fünf Bildern“ wirkt nach. Keine Überraschung, weil Horváths Stück in seiner Schlichtheit grandios ist. Und weil es die Junge Buehne exakt so auf die Postsaal-Bretter bringt. Beklemmend, in Nuancen komisch, optimistisch, pessimistisch, fatalistisch. Als Metapher fürs menschliche Dasein. Grandios.

[sam id=“8″ codes=“true“]Das Hohelied der Liebe, Paulus‘ erster Brief an die Korinther: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Die Liebe zu Gott. Ein Satz mit klarem Jenseitsbezug – glaube, hoffe, liebe gottesfürchtig, und das ewige Leben ist dir sicher. Horváth zertrümmert diese Sicherheit mit einem winzigen Eingriff: er stellt um. Aus Glaube, Hoffnung, Liebe wird Glaube, Liebe, Hoffnung, alles endet mit der Hoffnung. Hoffen heißt: man hat’s nicht mehr selbst in der Hand, ist passiv, ist darauf angewiesen, dass es jemand anders richtet. Wenn am Ende nur noch die Hoffnung bleibt, dann lähmt sie.

Horváth hat das in die Ewigkeit weisende, offene System Paulus‘ in ein geschlossenes System gewandelt. Das Leben wird hier und jetzt gelebt. Die Leben werden hier und jetzt gelebt. Nebeneinander, über-, untereinander, selten miteinander. Das perfekte geschlossene System ist der Kreis. Entsprechend taucht die Kreissymbolik in Horváths Volksstück auf mehreren Ebenen auf – im Titel als Tanz, in der Handlung, die er vor dem anatomischen Institut beginnen und enden lässt, im Teufelskreis, in dem die Heldin Elisabeth gefangen ist. Der Kreis ist unausweichlich, hat keinen Anfang, hat kein Ende. Die Frage aller Fragen ist: Lebt der Mensch sein Leben oder lebt das Leben seinen Menschen? Auch bei der Suche nach Antwort auf diese Frage kann man sich nur im Kreis drehen.

In der Originalfassung wird der Lebenskreisel Elisabeths angehalten. Die Hoffnung stirbt, das Schlusswort hat der Buchhalter: „Ich lebe, ich weiß nicht wie lang, ich sterbe, ich weiß nicht wann, ich fahre, ich weiß nicht wohin, mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Auf dieses Finale verzichtet Meyer. Er lässt Elisabeth den Monolog über Glaube und Hoffnung wiederholen und nimmt so das Anfangsmotiv auf, das Stück gewinnt  an Geschlossenheit. Die Aussage wird noch deutlicher als im Original: Das Leben wirft uns im Kreis herum.

Elisabeth ist die einzige Figur, die ohne Pathos bleibt, unsentimental, realistisch. Alle anderen suhlen sich in ihrem Selbstmitleid, schieben die Verantwortung für ihr Schicksal weg, sitzen aus. Echt ist nur Elisabeth. Genau das bringt Evi Bräther auf die Bühne – keine Wehleidigkeit, und das in der gebotenen Schamhaftigkeit. Sie klagt nicht, sie klagt an. Bräther gibt eine in ihrer Zerbrechlichkeit und Zerbrochenheit dennoch starke Elisabeth, ohne falschen Stolz. Der bleibt Dany Wröbel als Schutzpolizist Alfons Klostermeyer vorbehalten, kurzzeitig Geliebter Elisabeths. Buchstabentreue, vermeintliche Pflichterfüllung, Aftergehorsam, das sind Alfons‘ Domänen. Harte Miene zum harten Spiel. Weich ist er nur privat, wenn er in Elisabeths Bett liegt. Worum’s ihm dabei geht? Nicht um Elisabeth. Die dient ihm nur zur Selbstbespiegelung: „Ich schätze eine Frau höher ein, die von mir abhängt, als wie umgekehrt. Krieg ich noch ein Küsschen?“ Wröbel spielt uneitel den eitlen Gendarmen. Das schafft Kontrast zu Bräthers Elisabeth, schafft Spannung. Die beiden ergänzen einander ideal.

Überhaupt: Der Jungen Buehne ist wieder gelungen, alle Rollen ideal zu besetzen: Gottfried Putz als so tierlieben wie menschenhassenden Präparator, der Elisabeth durch eine Anzeige erst ins Verderben stürzt. Putz gibt sich blasiert, verletzt, einem etwaigen Schuldbewusstsein lässt er so viel Raum wie nötig und so wenig wie möglich. Er tariert seine Rolle sauber aus. Putzi Ober lebt die Geschäftsfrau, die nach oben artig buckelt und opportun nach unten tritt. Als Arbeiterfrau vor dem Wohlfahrtsamt ist sie die resignierte Praktikerin, die mit ihren Ratschlägen nur sich selbst inszeniert, ohne wirklich zu helfen. Sich so glaubwürdig als Antipathieträgerin darzustellen, dazu gehört Mut – und vor allem Könnerschaft.

Dasselbe gilt natürlich für Meyer: Auch er glänzt in einer Doppelrolle. Als Oberpräparator ist er herrisch, selbstgefällig, vorwiegend wichtig. Kein Zweifel – der Institutschef ist er. Als Kriminalinspektor zeigt er, dass sich berufsbedingtes Misstrauen in Vorurteilen und Vorverurteilungen manifestiert, sobald qua Position das eigene Handeln nicht mehr hinterfragt wird. Sein Mienenspiel und sein Tonfall sind Arroganz und Machtbewusstsein zum Sehen, zum Hören und zum Greifen, sein Auftreten ist von einer diabolischen Kaltherzigkeit, die unweigerlich das Bild von der Gestapo-Willkür erstehen lässt.

Nein, Sympathieträger gibt’s in diesem Stück neben Elisabeth nicht wirklich. Sepp Karmann sorgt als katzbuckelnder Vizepräparator mit dem rechten Spruch zur rechten Zeit, der rechten Grimasse zur rechten Zeit für Lacher, aber dabei gelingt es ihm, sich als komisches Element des Stücks nicht ins Herz des Zuschauers zu spielen. Er kann die Distanz halten. Nicht minder souverän schafft das Wolfgang Seitz, der als Baron dessen Hang zur lockeren Beziehung, die auch mal tödlich enden kann, die nötige Oberflächlichkeit und Selbstgerechtigkeit verleiht. Das gelingt auch Waltraud Hamperl als Frau Amtsgerichtsrat und Roland Kurz als Herr Amtsgerichtsrat, die im Stück für Standesdünkel und Justizwillkür stehen. Fritz Mayer ätzt als Invalider, Toni Anwander klopft als Buchhalter konsequent und punktgenau vorgestanzte Phrasen. Bettina Stadelmann personifiziert als Maria mit wenigen Gesten Eitelkeit und Falschheit. Maciej Kuczynski steht für unbedingte Egozentrik: Als Joachim rettet er Elisabeth aus dem Wasser, weil er als Held in die Zeitung und dafür von der Frau Mama ein Auto bekommen möchte. Günter Hausner und Max Amersberger repräsentieren als Polizisten wie Wröbel die Staatsmacht – nah am Paragrafen, vom Bürger distanziert. Das komplette Ensemble ist genau da, wo’s hingehört: auf dem Punkt.

Meyer hat „Glaube Liebe Hoffnung“ – bis auf die Schlusssequenz – vermutlich genau so inszeniert, wie Horváth sich das gedacht hat: „Es darf kein Wort Dialekt gesprochen werden! Jedes Wort muss hochdeutsch gesprochen werden, allerdings so, wie jemand, der sonst nur Dialekt spricht und sich nun zwingt, hochdeutsch zu reden. Bitte achten Sie genau auf die Pausen im Dialog, die ich mit ,Stille‘ bezeichne – hier kämpft das Bewusstsein oder Unterbewusstsein miteinander, und das muss sichtbar werden.“ Den Kampf hat die Junge Buehne im Sinne Horváths mit ihrem souveränen, engagierten und uneitlen Spiel sichtbar gemacht. Prädikat: Unbedingt anschauen.

„Glaube Liebe Hoffnung“ wird noch zwei Mal aufgeführt: am Freitag, 12., und am Samstag, 13. Mai, jeweils um 20 Uhr im Postsaal. Karten gibt’s im Vorverkauf bei Schreibwaren Brandl, Tel. 0 86 21 / 31 81.

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