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Skulpturenpark auf dem Begegnungsplatz in Trostberg.

Begehrtes Fotomotiv: Der Skulpturenpark auf dem Begegnungsplatz zwischen Alz und Kanal. Fotos: fal

Die Weitergabe des Feuers

Kunstmeile Trostberg ’17: Umfassender Überblick über die Strömungen in der zeitgenössischen Kunst – Mit Nachdruck und mit viel Gefühl

Von Andreas Falkinger

Da Vincis „Mona Lisa“ ist Kunst. Natürlich. Michelangelos „David“? Klar. Van Goghs „Sonnenblumen“? Selbstverständlich. Da besteht in der Rezeption breiter gesellschaftlicher Konsens. Beuys‘ „Fettecke“? Langsam scheiden sich die Geister. Warum bezahlt jemand für Gerhard Richters „Abstraktes Bild“ 41 Millionen Euro? Und was hat all das mit der Kunstmeile Trostberg ’17 zu tun?

[sam id=“8″ codes=“true“]Es ist anstrengend, sich ernsthaft mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen. Wir hauen dem Künstler vorgestanzte Plattitüden um die Ohren, wenn sich uns sein Werk nicht auf Anhieb erschließt: Das soll Kunst sein? Kunst kommt doch eigentlich von Können. Oder ganz beliebt: Das könnt‘ ich auch. So desaströs gerade dieses Werturteil für den betroffenen Künstler ist – wird ihm doch in vier kurzen Worten die Könnerschaft abgesprochen –, so leicht wäre es zu widerlegen: Das könntest du auch? Warum machst du’s dann nicht? Wenn du’s aber wirklich machen würdest, dann wär‘ dein Resultat keine Kunst mehr, sondern nur nachgemacht.

Zeitgenössische Kunst, der zeitgenössische Künstler wird grundsätzlich infrage gestellt. Harte Bandagen. Mit jeder Arbeit, mit der er an die Öffentlichkeit geht, muss er seine Herangehensweise, seinen Ansatz rechtfertigen, seine individuelle Könnerschaft beweisen. Er muss sich hinterfragen lassen, seinen persönlichen Lebensentwurf, seine Weltsicht. Mit allem, was er schafft, setzt er sich Kritik aus, mit jeder Faser steht er auf dem Prüfstand. Psychostress, durchaus. Eigentlich bedauernswert? Nein. Weil der Künstler das aushält. Selbstgewähltes Schicksal. Beuys hat das ausgehalten, Anne Imhof hält das aus, Franz Erhard Walther hält das aus, genauso wie die 75 Persönlichkeiten, die bei der Kunstmeile Trostberg ’17 ausstellen.

Ist das nicht zu hoch gegriffen? Biennale di Venezia, Kunstmeile Trostberg – darf man diese Veranstaltungen in einen Kontext setzen? Darf man die 75 Künstler, die ihre Werke in Trostberg präsentieren, in einem Atemzug mit Beuys, Imhof, Walther nennen? Keine Sorge, man darf. Weil ihnen allen etwas gemein ist: Sie stellen sich. Sie kehren ihr Innerstes nach außen. Offene Flanke. Sie suchen bisweilen offensiv und streitbar den Dialog mit dem Publikum, ob das mit Kunst was am Hut hat oder nicht. Kunst lässt uns direkt in Hirn und Herz des Künstlers schauen, lässt uns Selbstbewusstsein, Selbstverständnis und Selbstzweifel des Künstlers mit- und nacherleben. Mehr Teilhabe am Mitmenschen geht kaum.

So wie sich der Künstler dem öffentlichen Diskurs stellt, so stellt sich auch die Kunstmeile dem Urteil der Öffentlichkeit. Das Organisationsteam besetzt die prominentesten Plätze in der Stadt mit Kunst und konfrontiert somit auch Menschen mit Kunst, in deren Lebenswirklichkeit beispielsweise Werner Pinks 2,20 Meter langer und 1,30 Meter hoher Zentaur aus Metall oder Andreas Sagmeisters zwei Meter hohe Klangplastik aus Stahl eine eher nachgeordnete Rolle spielen. Mit Nachdruck bringt das Team Kunst ins Leben der Stadt. Mit Nachdruck und mit ganz viel Gefühl, fürs Stadtbild und für die einzelnen Werke. Denn das ist dem Kunstmeilen-Team tatsächlich gelungen: Die Werke sind keine Fremdkörper. Sie fügen sich ein, ohne sich assimilieren zu lassen. Sie bieten Chancen für Dialoge. Die vornehmste Aufgabe der Kunst wird erfüllt – nicht zuletzt, weil das Kunstmeilen-Team erneut nicht nur einen hohen Anspruch an die künstlerische Qualität der Arbeiten gesetzt hat, sondern weil dieser Anspruch auch erfüllt wird.

Was ist die Kunstmeile wert? Ist sie ein Ausdruck provinzieller Kunst oder ist sie für den aktuellen Kulturbetrieb repräsentativ? Wenn zeitgenössische Kunst immer kritisch zu hinterfragen ist, gilt das natürlich auch für eine Großveranstaltung wie die Kunstmeile. Aber provinziell? Sicher nicht. Um das schlaglichtartig zu unterfüttern: Sagmeister ist mit seiner Klangplastik vor dem Stadtmuseum vertreten. Und bei der Biennale in Venedig mit der Stahlskulptur „Kub IV“ im Palazzo Mora. Die Kunstmeile Trostberg hechelt nicht hinterher, sie ist auf der Höhe der Zeit. Das Prädikat „Südbayerns größte Schau zeitgenössischer Kunst“ klingt vollmundig. Es ist so zutreffend wie angemessen.

Die große Leistung der Kunstmeile Trostberg ’17 ist es, Vielfalt in einem komprimierten Rahmen abzubilden. Die spezielle Atmosphäre der einzelnen Ausstellungssektionen bringt den Betrachter in immer neue Ausgangssituationen, die ihn immer wieder zu neuen Ansätzen anregen. Die Kunstmeile hält den Geist wach: hier die pralle Fülle mit all den Gemälden, Grafiken, Installationen und Skulpturen im Postsaal, wo’s bei jedem Schrittchen Neues zu entdecken gibt. Dort die dezente, pointierte Präsentation im Atrium des Stadtmuseums, wo Kunst Raum zum Atmen bekommt und dem Betrachter Raum zum Atmen lässt. Der Skulpturenpark auf dem Begegnungsplatz zwischen Alz und Kanal, wo sich Kunst und Natur harmonisch zu einem Ganzen vereinen und der Betrachter zur Ruhe kommt. Das Foyer der Mittelschule, wo die Schülerarbeiten inmitten des nüchternen Schulcharmes rühren und die Bilder der Geflüchteten ergreifen. Das Foyer des Stadtkinos, wo Kunst und Geschäft zusammenkommen – sogar das Einwickelpapier der Schokoladetäfelchen ist von einer Künstlerin gestaltet worden.

So viel Zeit muss sein: Einen ganzen Nachmittag braucht’s schon, um sich die Kunstmeile in einem Rutsch zu gönnen. Aber sie dauert ja noch bis zum 5. Juni. Man kann sie sich also auch in mehreren Etappen zu Gemüte führen. So oder so – die Eindrücke, die man sich mit nach Hause nimmt, wirken lange nach. Den Künstlern wurde erneut kein Thema vorgegeben. Das ist erfrischend, weil daraus zwangsläufig Vielschichtigkeit resultiert. Kunst kann und darf bei der Kunstmeile alles sein: politisch, gesellschaftskritisch, anregend, aufregend, ansprechend, abweisend, dekorativ. Natürlich kann nicht jedem alles gefallen. Das ist nicht der Anspruch. Und wenn etwas tatsächlich missfällt, dann darf sich der Betrachter durchaus auch einmal die Frage stellen, ob der Künstler eventuell genau das erreichen wollte. Man kann sich an Werken auch mal reiben. Reibung erzeugt Wärme.

„Unser Ziel, Kunst in den Alltag zu bringen, Brücken zu bauen zwischen Kunst und Öffentlichkeit, haben wir weiterverfolgt“, sagte Trostbergs Stadtheimatpfleger und Kunstmeilen-Mitorganisator Dr. Rainer Lihotzky in seiner Eröffnungsrede. Tiefgestapelt. Das Ziel wurde nicht weiterverfolgt, das Ziel wird erreicht. Trostberg ist Kulturstadt – nicht nur, weil man auf eine 784-jährige Geschichte zurückschauen kann. Ein Blick auf die Vergangenheit, ihre Entwicklungen und Errungenschaften, darauf kann man sich ausruhen, raunend rückwärtsgewandt auf die Bedeutung als Schul- und Industriestandort mit Geschichte verweisen. Kann man machen. Oder man öffnet vorwärtsgewandt Horizonte, wie es der Kunstmeile gelingt. Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche, schrieb der Humanist Thomas Morus. Die Kunstmeile gibt das Feuer weiter.

(23. Mai 2017)

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