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Abdelkarim im Postsaal

Trotz Geburtsort Bielefeld voll in die abendländische Gesellschaft integriert: Abdelkarim. Foto: fal

Comedy mit ganz viel Meta-Ebene

Abdelkarim im Postsaal: Zwischen Integrationsbambi und Tierschutzpreis – Das Spiel mit den Vorurteilen

Von Andreas Falkinger

Das ist hier nicht der rechte Platz, ich weiß. Nicht der richtige. Egal. Jedenfalls muss das mal gesagt werden dürfen, beziehungsweise geschrieben. Weil offenbar ein Missverständnis im Raum steht. Deshalb: Nein, der Journalist per se ist nicht sonderlich scharf drauf, vom Kabarettisten und/oder Comedian aktiv ins Programm einbezogen zu werden. Ganz billige Nummer. Steht da irgendwo „Opfer“? Hä?

[sam id=“8″ codes=“true“] Bedingter Reflex, klassische Konditionierung. Lernt der Komiker schon in seiner Ausbildung zur Rampensau: Kasperl mit Kamera in Reihe 1 ist gleich Schreiberling. Muss dringend verarscht werden. Gleich zu Beginn, das bricht das Eis. Ein Brüller für all die, die nicht Kamerakasperl in Reihe 1 sind. Beistand vom Kollegen der Wochenzeitungsredaktion aus der Großen Kreisstadt ist nicht zu erwarten, der hat sich in seine Opferrolle eingegroovt. Ganz verschämt sitzt er da mit seinem Fotoapparaterl. Will mich den Journalistenkelch alleine leeren lassen, bloß nicht auffallen. Und dann – blitzt der den Abdelkarim an. Nur so halb unauffällig, kommt immer gut. Komiker anblitzen. Und der Kelch zieht weiter, fettes Merci.

Wenigstens sind wir gewarnt: „Schreibst du schlecht, bist du Pegida.“ Ey, Kollega Abdelkarim: Pass bloß auf, bist du in meiner Hood. Schreib ich schlecht, warst du schlecht. Wie Fakt ist das denn?!

Migrantenkomik. Schwierige Sache, muss man vorsichtig sein, ganz viel Meta-Ebene. Satire ist kein einfaches Pflaster, besonders nach Böhmermann und dem von ihm ausgelösten 9/11 des deutschen Humors. Vielleicht kein herber Verlust für die Welt, die bislang eh kaum wusste, dass deutscher Humor existiert. Also nicht dieser Humorersatz für belichtungsferne Schichten, wie ihn Mario Barth – nun, zelebriert ist zu hoch gegriffen. Ausübt. Ausüben tut. Weißte, weißte? Da hat der Marokkaner natürlich klare Vorteile. Der kommt gar nicht erst in den Geruch, über diesen deutschen Sinn für Humor verfügen zu müssen.

Klischee, Klischee. Deutscher Humor – das ist so sinnfrei wie „deutsche Tugenden“. Humor auf die Nationalität runtergebrochen kann nur extrem unlustig sein. Schnell, heiß, fettig muss er sein. Fertig. Wer sie noch nicht gehabt haben sollte, kann diese Erkenntnis vom Abend mit Abdelkarim im Postsaal mit nach Hause nehmen. Blöderweise muss man davon ausgehen, dass diejenigen, die diese Erkenntnis am nötigsten brauchen, wieder mal nicht im Postsaal waren.

Dabei wäre so ein Besuch des Programms „Zwischen Ghetto und Germanen“ Pegidioten durchaus ans Herz zu legen. Und diesen Anhängern der parteigewordenen generalisierten Angststörung natürlich auch. Angstgestörte für Deutschland. Nur damit die mal sehen, dass außerhalb ihres Paralleluniversums Araber leben, die tatsächlich Satire praktizieren. Ganz ohne Burka und Sprengstoffgürtel. Und auch sonst größtenteils harmlos. Der Islam gehört nicht zu Deutschland? Der Ballermann gehört nicht zu Deutschland. Aber das interessiert auch kein Schwein.

Abdelkarim ist Muslim, ein marokkanischer Migrationshintergründler. Eher Vordergründler, weil er‘s auf der Bühne ganz offensiv zeigt: Markenturnschuhe, ausgebeulte Jogginghose, Kunstlederjacke, krachbuntes T-Shirt. Wie frisch aus der Caritaskleiderkammer. Und natürlich hat er auch ein Smartphone, erfüllt also alle Kriterien, die ihn dazu berechtigten, von uns Gutmenschen aufgenommen zu werden. Braucht er aber nicht. Alles Fassade, alles Bühnenrolle. Der Mann spricht Deutsch. Dialekt- und akzentfrei. Kunststück, der ist in Bielefeld geboren. Der Landstrich ist so arm, da kann man sich noch nicht mal einen richtigen Dialekt leisten. Das wahre Ghetto. Abdelkarim also kann Humor und Deutsch. Unfassbar. Es haben schon Leute für weniger den Integrations-Bambi bekommen. Vermutlich wurmt ihn das auch ein wenig: „Da wird der Ausländer gesucht, der sich trotz schlechter Gene am besten beherrscht hat, so eine Art Kanacke des Jahres. Bambi für Bimbos.“

Bushido-Fan jedenfalls scheint er nicht uneingeschränkt zu sein. So macht er sich auch über die Gangsta-Rapper-Szene lustig und haut gleich einen integrationsbambi- und tierschutzpreisverdächtigen Rhyme raus. „Ich geh in den Wald mit meiner Beretta. Ich schieß auf Jäger, ich bin der Bär-Retter.“ Flach? Klar, wenn man den Tiefgang von Deutschrappern gewohnt ist. Abdelkarim weiß, wie er wirkt. Er weiß, was das Publikum von seinem Phänotyp erwartet. Damit spielt er. Das ist erst mal nicht sonderlich raumgreifend. Er haut seine Witze raus, paff, paff, paff, einen nach dem anderen. Er sucht den Dialog. Mit der ersten Reihe. Bevorzugte Gesprächspartner sind zwei Burschen, zwölf und 13 Jahre alt. Abdelkarim ist spontan, schnell, frech. Comedy halt, lockere Unterhaltung. Wer mehr will, wer zu mehr bereit ist, der kann dann daheim drüber nachdenken. Über die Wirkung, die Vorurteile, die deutschen und die nichtdeutschen. Dann wird’s Kabarett. Und das ist nicht das Schlechteste, voll die Meta-Ebene. Den Bayerischen Kabarettpreis hat er schon – der Bimbo soll den Bambi bekommen. Gefälligst. So, wer ist jetzt Pegida?